2021: HipHop gehört (endlich!) den Frauen.
15. Oktober 2021
Die echte Innovation und Veränderung wird eindeutig von weiblichen Künstlerinnen vorangetrieben – und das macht HipHop im Jahre 2021 diverser und spannender denn je.
Wann immer die Medien über „Female HipHop“ berichten, wird meist über ein Genre gesprochen, eine Erscheinung, ein Trend. Daran merkt man, dass wohl noch viel passieren muss, bis es auch hier zu einer wirklichen Gleichstellung kommt. Dennoch ist im HipHop (und das ist ein Genre) in den letzten Jahren viel passiert. Man ist sich einig: Die echte Innovation und Veränderung wird eindeutig von weiblichen Künstlerinnen vorangetrieben – und das macht HipHop im Jahre 2021 diverser und spannender denn je.
Man kann zudem aber auch behaupten: Moment mal, weibliche HipHop-Artists hat es doch immer gegeben, auch von Anfang an. Was ist denn mit Salt’n’Pepa, was ist mit MC Lyte, Lauryn Hill… Missy Elliot, Queen Latifah? Ja – und nein. Die Tatsache, dass sich über Jahrzehnte die Anzahl an erfolgreichen Künstlerinnen an ein bis zwei Händen abzählen lässt, zeigt bereits, wie schwer sich Major Labels taten, Künstlerinnen unter Vertrag zu nehmen, die der männer-dominierten Szene andere Farben hinzufügten. Female Rappers mussten immer doppelt so gut und dreifach hitverdächtig sein – und beim Sexismus mitspielen. Auch die eben genannten Künstlerinnen mussten mindestens genauso hart sein wie die Männer, eingängiger, souliger, stilistisch breiter aufgestellt. Sie waren für die eindeutig poppigere Version des Hip Hop zuständig, es musste immer auch gesungen werden.
Speziell in den 90ern war deutlich, dass Rapperinnen die sexistischen Klischees der Szene nicht widerlegen sollten, sondern sie mitspielen. Künstlerinnen wie Lil‘ Kim und Foxy Brown präsentierten sich über-sexualisiert, gaben sich genauso wie die Tänzerinnen in den Videos von Snoop Dogg, nannten sich selbst „Hoes“ und „Bitches“ – kurz: Sie verkörperten eben jene Sex-Objekte, wie sie die männlichen Kollegen in ihren Musikvideos auf den Hauben ihrer teuren Autos und an Ketten gelegt auftreten ließen. P!NK persifliert dies in ihrem satirischen Video zu Stupid Girls, kombiniert mit der traurigen Botschaft: „What happened to the dream of a girl president - She's dancing in the video next to 50 Cent.” Dabei darf man den Künstlerinnen allerdings nie ihr Talent absprechen. Sie sind Protagonistinnen ihrer Zeit und Teil einer Musikindustrie, die darauf bedacht war, gängige Rollenklischees und Themen zu bestätigen, anstatt zu verändern.
Heute ist das anders. Dass Künstlerinnen ganz andere Missstände (und vielleicht sogar die oben genannten) erzählen, sich politisch und sozio-kulturell positionieren, ist nicht das Ergebnis intensiver Marktforschung der Plattenfirmen, sondern vielmehr ein Ergebnis von Social Media. Multi-Million-Seller wie Nicki Minaj, die wie einst die Männer neben der Musik auch viel Geld mit Nebenprojekten verdienen, haben genau hier angefangen. Newcomerinnen haben in den sozialen Netzwerken eine Plattform, um sich selbst ein Publikum für ihre Tracks zu suchen, ihre Karrieren selbstbestimmt in die Hand zu nehmen und darüber zu rappen, was sie bewegt. Und wie immer hat es lange gedauert, bis auch die Industrie den „Trend“ verstanden und weibliche Hiphop-Künstlerinnen endlich unter Vertrag genommen hat.
Das deutsche Plattenlabel 365XX ist ein All-Female Label, das ausschließlich weibliche HipHop Artists „signed“. Eine davon ist auch Yetundey aus Berlin, die wir alle von ihrem diesjährigen Auftritt beim Sennheiser Evolution Wireless Digital Launch Event kennen und die auch in den USA, der Heimat des Hip Hop, ein Publikum hat. Hier geht es nun auch endlich um Empowerment, um ironische Brüche mit den Klischees der Szene, um eine größere Vielfalt der Themen – und darum, den Künstlerinnen die gleichen Chancen auf Booking, Veröffentlichungen und Erfolg zu geben, die für die männlichen Kollegen immer noch selbstverständlich sind. Dennoch: Allein die Tatsache, dass es ein All-Female Label braucht, zeigt, dass da noch viel passieren muss. Wo immer die Industrie zu langsam ist, muss das Publikum schneller sein, es einfordern. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt: Das läuft ganz gut. Jetzt muss nur noch aus einem Trend, einem Sub-Genre, einer Erscheinung… ein New Normal werden.