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La Frette: Mehr als nur ein Studio

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Ein Studio-Besuch mit Olivier Bloch-Lanié und Nicolas Quéré

In der Pro Talk Series auf YouTube findest du Interviews mit den angesehensten Audio-Profis und Musikern, darunter auch Olivier Bloch-Lainé und Nicholas Quéré von den La Frette Studios in Frankreich. La Frette wurde von dem Musiker, Komponisten und Produzenten Bloch-Lainé gegründet. Es ist ein einzigartiges professionelles Aufnahmestudio in einem kleinen, malerischen Dorf in der Nähe von Paris.

 

Die Gründung von La Frette war für Bloch-Lainé ein Glücksfall. Ausgangspunkt war der Erwerb einer alten Neve-Aufnahmekonsole, die Bloch-Lainé aus Spaß bei einer Auktion ersteigerte. „In den 1980er-Jahren war ich Gitarrist. Ich ging in Studios, um Sessions zu spielen“, sagt er über seine häufige Arbeit in den Berkley Studios, die schließlich den Betrieb einstellten. „Eines Tages fand eine Versteigerung statt. Dort waren Massen von Leuten, die Mikrofone und andere Dinge kauften, aber ich hatte nicht vor, etwas zu kaufen. Als schließlich das Neve-Mischpult unter den Hammer kam, hob ich meine Hand, nur aus Spaß – und erhielt den Zuschlag. Ich rief meine Frau an und sagte: ‚Ich habe gerade etwas Schreckliches getan.‘ Zuerst habe ich versucht, das Pult sofort wieder zu verkaufen. Aber alle sagten, es sei veraltet und wollten es nicht haben.“

Das Pult wurde eingelagert, und Bloch-Lainé setzte seinen Weg fort, bis er „eines Tages in dieser Gegend unterwegs war und das Schild ‚Haus zu verkaufen‘ sah. Ich weiß nicht warum, aber ich sah mir dieses Haus an und dachte: ‚Wow, das ist der richtige Ort für mein Mischpult, und ich kann das Haus in ein Studio verwandeln.‘ Meine Frau sagte: ‚Okay, warum verkaufen wir nicht unsere Wohnung und kaufen das Haus?‘ Es war ungefähr der gleiche Preis, und wir machten es. So fing alles an.“

 

 

„Ich baute mir ein kleines Studio in der Garage und fing an, Musik für alles Mögliche zu machen“, erzählt Bloch-Lainé weiter. „Ich habe Musik für Modenschauen von Yves Saint Laurent gemacht, mit einem Fairlight-Synthesizier. Ich verliebte mich in dieses Instrument, weil ich einen Großteil des Sounds selbst machen konnte. Und dann habe ich mit diesem Fairlight einen Film nach dem anderen vertont. Zu diesem Zeitpunkt fingen wir an, das Studio im Erdgeschoss zu bauen. Fünf oder sechs Jahre lang haben wir fast 600 Werbefilme vertont. Und das wäre nie passiert, wenn ich nicht dieses Instrument und diesen Ort gefunden hätte, um die Musik zu produzieren.“

Das La Frette Studio ist seitdem zur Legende geworden. Hunderte von berühmten Alben, Aufnahmen und Musikvideos wurden dort produziert. Neben dem Neve-Mischpult gibt es in diesem Studio „viele Instrumente und viele Räume, viel Essen in der Küche, viele Bücher in den Regalen, viele Pflanzen im Garten ... und viele fantastische Besucher“, sagt Bloch-Lainé. „Unten gibt es den Regieraum, den Dry Room und den Stone Room. Die Zimmer im Obergeschoss sind zum Leben, da stehen nur Möbel.“

 

 

Obwohl er seine ersten Erfolge mit kommerziellen Projekten hatte, dauerte es nicht lange, bis Bloch-Lainé erkannte, dass er im Studio auch Musik produzieren und Musiker aufnehmen konnte. „Meine Frau ist eine fantastische Künstlerin. Sie lernte Feist kennen und fragte sie: ‚Warum kommst du nicht zu uns und machst dein Album hier?‘. Das war wahrscheinlich der erste große Schritt zu der Location La Frette, wie wir sie heute kennen“, erklärt er. „Am ersten Tag war Feist‘s Produzent krank und musste im Bett bleiben. Er rief an und sagte: ‚Könnt ihr die Band in die Räume bringen und sie proben lassen. Ich komme in ein paar Tagen nach.’ Feist war hier in den Räumen, sang außerhalb und im Garten ... und wir haben alles aufgenommen. Sie war die Erste, die uns gezeigt hat, welches Potenzial in dem Studio steckt.“

Davor, so Bloch-Lainé, hatten sie versucht, ein „reguläres“ Studio zu führen, mit den Aufnahmen im Erdgeschoss und gelegentlichem Schnitt im Obergeschoss. „Dann haben wir gemerkt, dass man die komplette Location nutzen kann“, sagt er. „Die Räume sind etwas Besonderes, das ganze Haus ist wie ein Instrument. Der Regieraum befindet sich unten, sodass der Tontechniker unsichtbar ist und die Musiker vergessen, dass sie im Studio sind. Das macht einen großen Unterschied, wenn hier Menschen für ein oder zwei Wochen zusammenkommen.“

 

 

 

In La Frette werden alle Räume für die Produktion von Alben genutzt, und manche Künstler verwandeln das Haus sogar in eine Studiobühne für Musikvideos. „Charlie Winston hat hier ein Album aufgenommen. Er sagte: ‚Ich möchte in jedem Zimmer des Hauses ein Video drehen‘“, erzählt Bloch-Lainé. „Er hat alle Instrumente mit seiner Mimik dargestellt und wurde in jedem Raum mit einem anderen Gestus gefilmt. Und da wurde mir klar, dass man diesen Ort wirklich als Theater betrachten kann.“

Zu den Bands, die das einzigartige Setup von La Frette nutzten, gehörten die Arctic Monkeys. „Sie wollten ursprünglich 16 Spuren auf Band aufnehmen – praktisch ohne Kopfhörer, und alle spielen zusammen“, erklärt Bloch-Lainé. „Diese Erfahrung war sehr erfrischend. Sie wollten keine Overdubs – einfach alles zusammen aufnehmen wie in den alten Zeiten. So etwas ist riskant. Denn wenn du einen Take machst, der nicht gut ist, fängst du wieder ganz von vorne an. Wir haben also alle Tonbandgeräte vorbereitet, um in den Räumen einen Sound zu finden, bei dem eine Energie wie auf der Bühne entsteht. Aber man muss viel leiser spielen, weil es ein akustischer Take ist. Damals wurde mir klar, dass so etwas immer noch möglich ist, auch wenn wir es nicht mehr gewohnt sind. Das Erstaunliche war, dass das Album genau so klang, wie wir es in den Räumen gehört haben.“

Dieser Sound wird durch Nicolas Quéré möglich, den Toningenieur und Musikproduzenten des Studios. Quéré hatte zunächst drei Jahre lang als Assistent gearbeitet und wurde 2009 nach dem Weggang des vorherigen Haustechnikers in seine jetzige Position befördert. „Ich war wirklich verblüfft, als ich das erste Mal ins Studio kam. Die Kombination aus dem Equipment in den Räumen, den Künstlern und der Atmosphäre des Ortes – mit den Büchern und Platten überall. Ich glaube, deshalb habe ich mich in diesen Ort verliebt.“

In das Mischpult wird ein breites Spektrum an Audio-Equipment eingespeist. „Wir haben überall Mikrofone, und sie kommen alle hier unten am Mischpult an“, sagt er. „Wir verwenden die Konsole hauptsächlich als Mikrofon-Preamp und -Equalizer. Wir haben auch andere Preamps, wie den V76 und den Langevin von dem Pult oben, aber meistens benutzen wir die Neve-Konsole. Es ist eine ganz besondere Konsole, die 1972 für Eddy Barclay hergestellt wurde. Sie enthält 1081er Preamps/EQs, und wir haben 36 davon, was ein großer Luxus ist. Es ist die beste Konsole, die ich je gehört habe. Ich habe das große Glück, dass ich täglich damit arbeiten kann.“

 

 

Quérés Arbeitsweise entspricht eher dem klassischen analogen Stil mit Tonbandaufnahmen. „Es ist sehr wichtig, die beste Akustik für das Ohr zu bekommen. Wenn eine Band oder ein Künstler reinkommt, ist es wichtig, dass sie sich wohlfühlen und mit dem Sound zufrieden sind – mit Kopfhörern, Instrumenten, Räumen und dem Equipment, das wir hier haben. Ich finde, die ersten Takes geben immer ein erstes Bild von dem ab, was hier möglich ist, auch wenn die Einstellungen noch nicht perfekt sind. Für mich ist es auch entscheidend, erst einmal den richtigen Sound am Instrument zu haben. Wenn du etwas Besonderes machen willst, müssen zuerst die Mikrofone der Instrumente richtig eingestellt werden, bevor es zum Aufnahme-Equipment geht.“

Quéré ist sich der Bedeutung der Musikstile seiner Kunden bewusst und will den Klang immer so einfangen, wie er auf der endgültigen Aufnahme zu hören sein wird. „Ich finde, eine gute Aufnahme beginnt mit einem guten Song und einer guten Performance. Wenn wir diesen Klang im Raum einfangen können, noch bevor wir ans Mischpult gehen, finde ich das großartig. Danach können wir verschiedene Klangkombinationen ausprobieren, mit all den Möglichkeiten, die uns die Räume bieten. Ein Musiker kann im Obergeschoss sein, einer unten oder alle oben und die Verstärker unten. Sobald sich alle wohlfühlen, wählst du einfach die geeigneten Mikrofone oder Vorverstärker aus.“

 

 

Wenn es um das Equipment geht, ist Quéré ebenso auf den Klang fokussiert. „Ich mag das Neumann U67. Es gehört für mich zu allerersten Wahl. Es klingt warm und zeigt gleichzeitig Präsenz. Ich mag es für Gesang, Klavier, für fast alles. Unter den dynamischen Mikrofonen verwende ich das Sennheiser 441 oft an Gitarrenverstärkern und manchmal auch für Gesang. Und ich überprüfe meine Mixe immer mit Kopfhörern. Ich verwende das Sennheiser HD 598 und das HD 600. Heutzutage hören alle mit Kopfhörer. Deshalb ist es gut, eine gute Referenz zu haben. Für Quéré ist es die wichtigste Aufgabe eines Toningenieurs, dafür zu sorgen, dass sich die Kunden im Studio wohl fühlen und mit dem Endprodukt zufrieden sind. „Wenn ich einen Rat geben kann, dann ist es der, viel auf die Künstler zu hören: was sie wollen, wonach sie suchen und was sie von dir erwarten. Wenn du das richtig machst, wird die Aufnahmearbeit viel einfacher. Ihr Vertrauen ist der Schlüssel zu einem guten Album. Und dann musst du natürlich das Equipment kennen, schnell sein und viel arbeiten. Tontechniker und Musiker haben vieles gemeinsam. Du musst jeden Tag üben und Neues dazulernen. Ich lerne immer noch viel dazu, und das gefällt mir sehr. Jeden Tag entdeckt man etwas Neues, deshalb ist die Praxis so wichtig.“

 

Fotos: James Capparelle

 

Über die Marke Sennheiser

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